Quebec ist riesig und hat Attraktionen zu bieten, die einen großen Umweg wert sind.
Für unseren Sprinter-Ausflug im Juni 2024 machten wir uns auf den langen Weg nach Norden, um den legendären Staudamm Manic-5 und die spektakulären Landschaften der Monts Groulx-Berge zu entdecken. Eine Reise, die wir schon seit mehreren Jahren im Kopf hatten und die wir aufgrund der verheerenden Waldbrände im Frühjahr 2023 um ein Jahr verschieben mussten.
Hier ist unser Abenteuer zwischen Natur und Technik!
Die Straße nach Manic-5
Die Reise begann mit der Fahrt nach Baie Comeau, das bereits mehr als fünf Autostunden von Quebec entfernt liegt. Die einzige Straße, die 138, durchquert die Region Charlevoix und folgt der Côte-Nord, der Nordküste des Sankt-Lorenz-Strom. Man durchquert Tadoussac und eine Reihe kleiner Dörfer, bis der Sankt-Lorenz-Strom auf einmal so groß ist, dass er einem Meer ähnelt.
Nach diesem ersten langen Fahrtag belohnten wir uns mit einem Abendessen in der Mikrobrauerei Saint-Pancrace, wo wir in die Atmosphäre der Côte-Nord eintauchten. Der Name der Biere gab uns einen Vorgeschmack auf das bevorstehende Abenteuer: die „Sineuses“ (auf Deutsch: die kurvenreiche), eine Anspielung auf die Route 389, die wir am nächsten Tag in Angriff nehmen wollten, und die „Uapishka“, der Name der Innu First Nation für die Groulx-Berge, unser nächstes Ziel.


Am nächsten Tag verließen wir Baie-Comeau in Richtung Norden. Die nächsten Fahrstunden folgten wir der Route 389. Dieser lange Asphaltstreifen schlängelt sich durch zunehmend isolierte Landschaften, zwischen endlosen Wäldern und Seen.
Dieselbe Straße führt bis nach Fermont, etwa 565 km weit an der Grenze zu Labrador. Vor ein paar Jahren hatten wir die Idee, dorthin zu fahren. Jetzt sind wir viel klüger und froh bereits 200 km früher angehalten zu haben.
Bis Manic-5 ist die Straße asphaltiert. Aber spätestens jetzt verstehen wir die Anspielung der Bier-Namen vom Vortag – es ist kurvig! Je weiter wir vorankamen, desto stärker wuchs das Gefühl, am Rande der Zivilisation zu sein.
Nach drei Stunden Fahrt erreichten wir Manic-5, die größte Pfeilerstaumauer der Welt. Schon beim ersten Blick aus der Ferne beeindruckt sein imposantes Bauwerk – ein grauer Koloss inmitten der rauen Natur.
Besuch von Manic-5
Wir hatten eine von Hydro-Québec organisierte, kostenlose Führung gebucht, um dieses Meisterwerk der Quebecer Ingenieurskunst zu verstehen. Das Erlebnis begann mit einem theoretischen Abschnitt, in dem uns der Führer den Bau des Staudamms, seine beeindruckenden Statistiken und seine entscheidende Rolle bei der Energieerzeugung für Quebec erklärte.

Interessante Fakten:
- Die 13 Bögen des Staudamms sind zusammen 1,3 km breit
- Das Hauptgewölbe ist 214 Meter hoch. Im Vergleich dazu ist der Turm des Olympiastadion von Montreal 175 Meter hoch.
- Der Damm besteht aus Insgesamt 6 Millionen Tonnen Beton
- Der Bau dauerte 13 Jahre und das provisorische Dorf musste jeden Tag 3000 Arbeiter ernähren.
Nach der Einführung stiegen wir in einen Bus, um als Nächstes das Innere des Wasserkraftwerks und seine Turbinen zu erkunden. Beim ersten Stopp konnten wir in den Damm hineingehen, die Betonmauer, die das Wasser zurückhält. Im Innenraum sahen wir, wie die Struktur auf dem Felsen installiert ist. Eine beeindruckende technische Meisterleistung, mitten im Nirgendwo.
Der Bau von Manic-5
Der Bau der Staumauer begann im Jahr 1959 und endete im Jahr 1968. Zwei Jahre lang wurden Vorbereitungsarbeiten durchgeführt, um den Fluss umzuleiten und ihn bis zum Felsen auszutrocknen. Anschließend erfolgten die ersten Betonarbeiten. Nach Abschluss der Bauarbeiten war das volle Potenzial des Staudamms noch lange nicht erreicht. Es dauerte weitere 13 Jahre bis der Stausee gefüllt war!
Heute versorgt der Damm zwei Wasserkraftwerke mit Strom, die den Strombedarf von rund 532.000 Haushalten decken.
Als wir den Innenraum verließen, befanden wir uns unter dem Hauptgewölbe, wo wir uns wie kleine Ameisen fühlten angesichts der kolossalen Struktur.


Nach einer Fahrt auf der Dammkrone, endete die Tour an einem Aussichtspunkt, wo der Panoramablick das volle Ausmaß des Bauwerks und des Stausees offenbarte.

In Richtung der Groulx-Berge und des Manicouagan-Stausees
Nachdem der Besuch beendet war, machten wir uns auf den Weg zu den Monts Groulx.
Es war nicht einfach, diese Bergkette zu erreichen: Die 100 km Schotterstraße befanden sich in einem beklagenswerten Zustand und wir brauchten für diesen Abschnitt mehr als zwei Stunden! Jeder Meter erforderte Aufmerksamkeit. Die Strecke war außerdem genauso kurvenreich wie die Straße von Baie-Comeau nach Manic-5.
Wir haben mit dem Sprinter schon viele Kilometer auf unbefestigten Straßen zurückgelegt, aber diese Straße war abschnittsweise wie ein Waschbrett und die Vibrationen waren sehr stark. So stark, dass der Wasserhahn am Waschbecken sich öffnete, und das Wasser zu fließen begann! Schnell mussten wir einen sicheren Ort zum Anhalten finden.

Dafür, dass die Straße abgelegen ist, ist sie viel befahren. Wie bereits erwähnt führt der Weg in die Minenstadt Fermont, und so sind viele Arbeiter und Lastwagen mit teilweise schwerem Gerät unterwegs. Häufig wurden wir von Transportern und Pick-ups überholt, die diese Straße nicht scheuen und trotz des Zustandes Vollgas geben.
Als wir ankamen, war das Spektakel die Mühe wert. Der Ausblick auf den See und die umliegenden Berge wird für immer in Erinnerung bleiben. Der primitive Campingplatz der Station Uapishka liegt direkt am Ufer des Stausees und bietet eine traumhafte Kulisse.
Station Uapishka
Wir haben zwei Nächte in der Station Uapishka verbracht, die sich dem Ökotourismus und der wissenschaftlichen Forschung widmet. Nördlich des 51. Breitengrads gelegen, bietet sie eine Herberge, Chalets und einen Campingplatz.
Auf ihrer Website wird Folgendes hervorgehoben (übersetzt aus dem Französischen): „Gehört ihr zu den Menschen, die von Authentizität leben und Orte besuchen möchten, an denen die Mehrheit noch keinen Fuß gesetzt hat? Würde es euch nicht reizen, am Rande eines der größten sichtbaren Meteoritenkrater der Erde zu übernachten?“ Genau das war es, wonach wir gesucht hatten!
Der primitive Campingplatz liegt direkt an den Ufern des Reservoirs und bietet so eine traumhafte Kulisse sowie unvergessliche Sonnenuntergänge.

Bei Sonnenuntergang machten wir dann Bekanntschaft mit den Mücken aus dem Norden, puh, das war heftig!

Das Auge von Québec
Der Manicouagan-Stausee, auch das Auge von Quebec genannt, liegt in einem riesigen Krater mit einem Durchmesser von 75 km, der vor Millionen von Jahren durch den Einschlag eines Asteroiden entstanden ist. Auf einer Karte erkennt man ihn leicht an seiner runden Form und seiner riesigen Insel.
Diese künstliche Insel entstand, als der Wasserspiegel durch den Bau von Dämmen anstieg. Seinen Namen verdankt die Insel dem Chefingenieur des Staudamms, René Levasseur.
Wanderung in den Monts Groulx
Ein weiteres Ziel unseres Abenteuers im Norden war eine Wanderung durch die Groulx-Berge, um die Natur im Norden Quebecs kennenzulernen.
Wir haben uns für eine der einfacheren Wanderungen entschieden, den Weg auf den Mont Harfang: 10 km lang und 500 Höhenmeter Aufstieg.
Viele Wanderungen erfordern eine oder mehrere Nächte in den Bergen. Wir bevorzugten ein Tagesabenteuer, um dann in den Komfort unseres Sprinters zurückzukehren.
Der Ausgangspunkt war ein Abenteuer für sich. Man sollte sich kein schönes Besucherzentrum mit Parkplatz vorstellen… Stattdessen parkt man sein Auto in einer großen Haltebucht an der Route 389 und sucht das Loch im Wald.


Der Weg beginnt im borealen Wald und beim Aufstieg verändert sich die Vegetation schnell. Auf dem Gipfel befindet sich Vegetation der alpinen Tundra und ist baumlos.
Wanderwege auf den Groulx-Bergen werden von freundlichen Freiwilligen gepflegt. Wenn man aus dem Wald kommt, muss man sich an kleinen Steinhaufen orientieren, die von Menschen aufgestellt wurden, um sich nicht zu verirren.




Zur Belohnung gibt es oben einen atemberaubenden Blick auf den Manicouagan-See – und eine Pause von den Mücken wegen der ständig wehenden Brise.

Durch unsere Nachforschungen waren wir auf kalte Temperaturen zu dieser Jahreszeit vorbereitet, aber es war wirklich heiß!
Auf dem Rückweg: Manic-2
Am nächsten Tag war es Zeit, nach Baie-Comeau zurückzukehren, auf dem gleichen Weg, auf dem wir gekommen waren…
Da es in der Nacht geregnet hatte, war die Schotterstraße in keinem besseren Zustand. Am Ende konnten wir uns kaum vorstellen, dass unser Sprinter weiß ist.
Zum Glück hatten wir am Ende nur einen Steinschlag im Fenster, und jede Menge Geschichten zu erzählen!


Etwas weniger als 30 km vor unserer Ankunft in Baie-Comeau machten wir einen Halt bei Manic-2, einem weiteren beeindruckenden Staudamm, wenn auch weniger imposant als sein großer Bruder. Dieser Besuch erwies sich als gute Ergänzung zu Manic-5 und bot einen Überblick über die Wasserkraft in Quebec. Als besondere Attraktion kann man eine Turbine in Aktion sehen! Sie dreht sich allerdings zu schnell, um etwas erkennen.
Der Damm ist definitiv kleiner als Manic-5, aber die Anlage kann immer noch rund 250.000 Kunden versorgen. Um eine Vorstellung von der Kraft zu geben: Der Wasserfluss von Manic-2 ist doppelt so groß wie der der Niagarafälle!

Zurück in Baie-Comeau fühlten wir uns wie in einer Großstadt und genossen ein zweites Abendessen in der Mikrobrauerei von Baie-Comeau. Am nächsten Tag fuhren wir zurück in Richtung Quebec und nutzten die letzten freien Tage, um in Tadoussac Wale zu beobachten und die Acropole des Draveurs im Haute-Gorges Nationalpark in Charlevoix zu besteigen.

Zum Schluss
Diese Reise war ein unvergessliches Erlebnis, aber erforderte einige Vorbereitungen. Die gesamte Fahrt entlang der 389 erfolgt ohne Mobilfunknetz. Man kann sich also nicht auf die Technik verlassen. Die Entfernungen können lang sein und schlechte Straßenverhältnisse verlängern die Fahrt. Services gibt es nur selten (wenn, dann gibt es aber immer auch Diesel!).
Dieser Ausflug in den Norden Quebecs wird für uns zu den unvergesslichen Abenteuern gehören. Wir haben viel über die Innovationen Quebecs gelernt und den, zumindest für uns, hohen Norden besser kennen gelernt. Wie sieht es bei dir aus? Bist du bereit, die Herausforderung von Manic-5 anzunehmen?